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Verantwortung und Selbstsein

Autorenbild: Stefan HadererStefan Haderer

Es gibt Momente im Leben, da fragen wir uns: Wer bin ich eigentlich? Welche Erfahrungen haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin? Und kann ich Verantwortung für all das übernehmen - für das, was ich weiß, und für das, was mir verborgen geblieben ist?


Der Dichter Sophokles lässt den Ödipus-Mythos neu beleben. Er stellt Ödipus in die Verantwortung dem Weg der Unverborgenheit Raum zu geben - diesen gleichsam zu entdecken.


Wir sind geworfen in eine Welt, die wir uns nicht ausgesucht haben - ein Schicksal, das wir alle teilen und dem wir uns stellen können, indem wir Antwort geben. Doch ist Verantwortung nicht nur eine Frage der Wahl. Sie ist auch die Summe aller Wege, die wir nicht gegangen sind. Jedes „Ja“ enthält oft unzählige „Neins“. Ödipus ist seinen Anfängen, seiner Herkunft auf den Grund gegangen. Er hätte die Suche nach der Wahrheit, die immer auch andere Menschen miteinbezieht, aufgeben, seinen Schein wahren und weiterhin in Theben regieren können.


Geblendet vom Licht der Wahrheit, das schmerzhaft sein kann, gab er nicht auf, sondern zeigte Verantwortung. Er nahm sein Königsein zurück und sein bisheriges Leben in die Hand, in dem er es hinter sich ließ und sein Dasein neu vollzog. Die Flucht nach Kolonos? Kein Davonlaufen, sondern eine Weise Verantwortung zu übernehmen: Für sich. Für seine Töchter. Für den weiteren Lebensweg.


Sophokles zeigt uns durch den Menschen Ödipus, dass Verantwortung kein Moment ist, sondern ein Prozess. Kein einzelner Entschluss, sondern die Haltung, sich dem zu stellen, wer wir sind und wer wir nicht sind. Vielleicht liegt darin die größte Freiheit: Die Wahl nicht wegzusehen.

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